Belastbare Quellen zur Astrologie von Johannes Kepler – Kernmethoden und Reformen
Basierend auf primären Quellen der Renaissance-Astrologie von Johannes Kepler (1571–1630), insbesondere De Fundamentis Astrologiae Certioribus (Prag 1601/1602, ed. Max Caspar, Gesammelte Werke Bd. 4, München 1941) und ergänzenden Werken wie Tertius Interveniens (1610) und Harmonices Mundi (1619). Brackenridge/Rossi für De Fundamentis, Wallis für Harmonices). Die Analyse fokussiert auf Keplers Herangehensweise: Er behielt den hellenistischen/mittelalterlichen Kern, reformierte ihn jedoch durch mathematisch-physische Begründung (harmonische Proportionen aus Geometrie/Musiktheorie), um Astrologie „certioribus“ (sicherer) zu machen.
1. Oikodespoten und Herrschaftsordnungen (Significatores)
- Quelle: Kepler, De Fundamentis (Kapitel 1–2).
- Methode: Übernahme der Oikodespoten (Herrscher des Aszendenten als Lebenslenker); Dispositor-Ketten prüfen.
- Zitat (Kapitel 1): „Der Significator des Aszendenten ist der Führer des Lebens; sein Zeichen und Aspekte bestimmen den Charakter.“
2. Planetare Konditionen (Essential/Accidental Dignities)
- Quelle: Kepler, De Fundamentis (Kapitel 3); Harmonices Mundi (Buch 4).
- Methode: Bewertung wie Ptolemaios (Domizil, Exil, Erhöhung, Fall, Triplizität, Terms); erweitert um „accidental“ Faktoren (Haus, Aspekte, Geschwindigkeit).
- Tabelle der Essential Dignities (Kapitel 3; identisch mit Ptolemaios): PlanetDomizilExilErhöhungFallSonneLöweWassermannWidderWaageMondKrebsSteinbockStierSkorpionMerkurZwillinge/JungfrauSchütze/FischeJungfrauFischeVenusStier/WaageSkorpion/WidderFischeJungfrauMarsWidder/SkorpionStier/WaageSteinbockKrebsJupiterSchütze/FischeZwillinge/JungfrauKrebsSteinbockSaturnSteinbock/WassermannKrebs/LöweWaageWidder
- Zitat (Kapitel 3): „Essentielle Dignities machen den Planeten stark; in Domizil fruchtbar, in Fall verderbend.“
3. Lots (Partes Arabicae)
- Quelle: Kepler, De Fundamentis (Kapitel 4).
- Methode: Übernahme der Lots (z. B. Fortune: Aszendent + Mond – Sonne); Herrscher und Aspekte prüfen.
- Zitat (Kapitel 4): „Die Partes sind mathematische Punkte; das Part of Fortune zeigt Erwerb, das of Spirit Handlungen.“
4. Häuser/Orte (Domae)
- Quelle: Kepler, De Fundamentis (Kapitel 5); Briefwechsel mit Maestlin (1598, Gesammelte Werke Bd. 13).
- Methode: 12 Häuser (Quadrant-System); funktional wie Bonatti. Kepler hielt sie für nützlich, aber nicht essenziell.
- Zitat (Brief an Maestlin, 1598): „Ich verwerfe nichts aus der Astrologie, nur das Unnötige wie die astrologischen Häuser.“
5. Aspekte (Aspectus)
- Quelle: Kepler, De Fundamentis (Kapitel 6–7); Harmonices Mundi (Buch 3).
- Methode: Geometrisch, aber reformiert: Orbs nach Planetengröße; Bewertung nach harmonischen Proportionen (musikalische Intervalle).
- Zitat (Kapitel 6): „Aspekte sind Ausstrahlungen; Trigon (120°) und Sextil (60°) harmonisch, Quadrat (90°) dissonant; Orbs nach Größe.“
6. Temperament und Charakter
- Quelle: Kepler, De Fundamentis (Kapitel 2); Harmonices Mundi (Buch 4).
- Methode: Qualitäten-Mischung (heiß/kalt, feucht/trocken) aus Aszendent, Sonne, Mond.
- Zitat (Kapitel 2): „Feuer cholerisch, Erde melancholisch; der Aszendent mischt die Temperamente.“
7. Chronokratoren (Tempore Gubernatores)
- Quelle: Kepler, De Fundamentis (Kapitel 8); Tertius Interveniens (1610).
- Methoden:
- Primäre Directions: 1° pro Jahr.
- Profections: Jährlicher Hausvorschub.
- Zodiacal Releasing: Perioden vom Lot; fixe Längen.
- Zitat (Kapitel 8): „Directions rücken den Aszendenten zu Planeten; Profections aktivieren Häuser jährlich.“
Keplers Reformen: Verworfenes und Neues aus Alten Methoden
Kepler zielte in De Fundamentis darauf ab, Astrologie von „willkürlichen Konventionen“ zu reinigen, indem er sie physikalisch-mathematisch begründete (harmonische Geometrie). Er verwarf „rule-of-thumb“ (regelbasierte) Elemente der Alten (Ptolemaios, Valens) als ungenau und fügte proportionale Modelle hinzu.
Verworfen (aus De Fundamentis und Briefen):
- Astrologische Häuser: Als unnötig und willkürlich verworfen (Brief an Maestlin, 1598): „Ich verwerfe […] die astrologischen Häuser.“
- Zodiacal Triplizitäten: Ihre Bedeutung angezweifelt, da „durch Zeichen gemessen“ und konventionell (Brief an Maestlin, 1598): „Die Triplizitäten […] welche durch die Zeichen gemessen werden.“
- Zodiak-Teilung in 12 Teile: Als „reine Konvention“ abgelehnt (De Stella Nova, 1606): „Die Teilung des Zodiaks in zwölf Teile und die Bezeichnung nach Geschlechtern, Tieren und Elementen [ist] sheer convention.“
- Traditionelle Aspekte: Die ptolemäischen 5 Aspekte (Konjunktion, Sextil, Quadrat, Trigon, Opposition) als „willkürlich“ kritisiert; stattdessen proportionale Harmonie (De Fundamentis, Kapitel 6): „Die alten Aspekte sind nicht natürlich, sondern konventionell.“
Neu Hinzugefügt/Reformiert (aus De Fundamentis und Harmonices Mundi):
- Harmonische Aspekte: Neue Aspekte basierend auf pentagonal/hexagonal Geometrie und Musiktheorie (z. B. Quintil 72°, Biquintil 144°, Sesquiquadratur 135°); begründet durch „natürliche Ursachen“ (De Fundamentis, Kapitel 7): „Die neuen drei Aspekte, nämlich Quintil, Biquintil und Sesquiquadratur, [sind gültig], wie die Erfahrung wiederholt bestätigt hat.“ In Harmonices Mundi (Buch 3): „Aspekte erklärt durch musikalische Konsonanzen.“
- Physische Begründung der Aspekte: Als „Ausstrahlungen“ (Strahlen) physikalisch modelliert, nicht nur geometrisch (De Fundamentis, Kapitel 6): „Aspekte sind natürliche Vehikel der Effekte; bestätigt durch repetitive Erfahrung.“
- Erfahrungsbasierte Validierung: Hinzufügung empirischer Tests zu traditionellen Elementen (Tertius Interveniens, 1610): „Diese Fakten sind durch Erfahrung gründlich bestätigt.“
Volltexte: De Fundamentis (ed. Caspar, GW Bd. 4, 1941); Harmonices Mundi (ed. Wallis, 1997). Keplers Reformen reinigen die „getreideartige Wahrheit“ der Alten von „Unkraut“ (De Fundamentis, Vorwort): „Zweck: Die Astrologie sichereren Grundlagen zu geben.“
