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Meine Rezension – https://talk.vonabisw.de/CSW/Rez1.pdf
Astrologie und Wissenschaft – https://www.youtube.com/watch?v=hdoVfPAlH6U&t=327s – https://talk.vonabisw.de/CSW/CSW1.mp4
Astrologie Heute – https://www.youtube.com/watch?v=P02nYFBDp8c&t=238s – https://talk.vonabisw.de/CSW/CSW2.mp4
Vulgärastrologie – aus: Spricht Gott durch die Sterne – https://www.youtube.com/watch?v=Mg7UU68m-D0&t=119s – https://talk.vonabisw.de/CSW/CSW3.mp4
Rezension zu „Spricht Gott durch die Sterne? – Astrologie, Gesellschaft und christlicher Glaube“ von Christoph Schubert-Weller
Das Werk „Spricht Gott durch die Sterne?“ von Christoph Schubert-Weller ist mehr als nur ein Buch über Astrologie. Es ist eine umfassende Standortbestimmung, die versucht, die Astrologie in ihrer historischen Tiefe, ihrer gegenwärtigen gesellschaftlichen Rolle und im Spannungsfeld zur Theologie und Wissenschaft zu erfassen. Schon der Titel macht deutlich, dass es hier nicht um einfache Verteidigungen oder Apologien geht, sondern um die ehrliche Frage nach Sinn, Legitimität und möglichen Grenzen der astrologischen Praxis. Ein besonderer Verdienst des Buches ist seine historische Weite. Schubert-Weller zeigt, dass Astrologie keineswegs eine moderne Modeerscheinung ist, sondern über Jahrtausende hinweg in Religion, Politik und Wissenschaft eine Rolle spielte. Könige, Fürsten und sogar Päpste konsultierten Astrologen, und die Kalenderreform von Papst Gregor XIII. war nicht zuletzt durch astrologische Überlegungen inspiriert. Auch Gelehrte wie Melanchthon oder Kepler haben sich intensiv mit Astrologie befasst, wobei Letzterer sogar Horoskope für Wallenstein deutete. Diese Beispiele zeigen die einstige enge, wenn auch spannungsreiche Verbindung von Christentum und Astrologie, ein Verhältnis, das nie frei von Widerspruch war, aber eine faszinierende historische Realität darstellt. Besonders eindringlich ist die Betrachtung der Entwicklung der Astrologie im 20. Jahrhundert. Während um 1900 kaum jemand sein Sternzeichen kannte, gehört dieses Wissen heute zum Allgemeingut. Die Popularisierung brachte allerdings zwei Gesichter hervor: einerseits eine seriöse Fachastrologie, die sich professionalisierte und differenzierte, andererseits eine „Vulgärastrologie“ in Zeitungen und Unterhaltungsformaten, die das Bild der Astrologie oft verzerrt und trivialisiert. Schubert-Weller zeigt die daraus resultierende Herausforderung: Wie kann sich die Astrologie zwischen öffentlichem Interesse, medialer Banalisierung und ernsthaftem Beratungsanspruch positionieren? Hier betont er die pädagogische Aufgabe der Astrologie – Menschen aufzuklären, sie im symbolischen Denken zu schulen und ihnen eine ernsthafte Orientierung bei Lebens- und Sinnfragen zu bieten. Ein zentrales Thema des Buches ist die Frage nach den Grundannahmen der Astrologie. Sie versteht Zeit nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ, geprägt durch die Konstellationen der Planeten. Der Mensch erscheint darin nicht als Sklave des Schicksals, sondern als Teil einer größeren symbolischen Ordnung, in der sich persönliche Entwicklungsprozesse spiegeln. Schubert-Weller verweist darauf, dass Astrologie erklären kann, wie sie funktioniert – als rationales Symbolsystem – aber nicht, warum. Der naturwissenschaftliche Beweis bleibt aus, was die Astrologie anfällig für Kritik macht. Dennoch zeigt er, dass die symbolische und qualitative Zeitauffassung eine eigenständige, kulturell tief verwurzelte Denkweise darstellt, die mit rein quantitativen Methoden der Naturwissenschaft schwer vergleichbar ist. Sowohl die wissenschaftliche als auch die theologische Kritik spart der Autor nicht aus. Wissenschaftlich gilt die Astrologie vielfach als unbewiesen, wird von Universitäten ausgeschlossen und mit Unwissenschaftlichkeit belegt. Theologisch wiederum stößt sie auf den Vorwurf des Aberglaubens, der Wahrsagerei oder der Ersatzreligion, da sie angeblich Gottes Allmacht und den freien Willen des Menschen untergräbt. Doch Schubert-Weller argumentiert differenziert: Gerade weil die moderne Astrologie seit dem 20. Jahrhundert fatalistische Tendenzen zunehmend überwunden hat und sich stärker psychologisch orientiert, sind viele der klassischen Vorwürfe nicht mehr in derselben Schärfe haltbar. Statt den Menschen als Opfer kosmischer Mächte darzustellen, betont die heutige Astrologie Prozesse von Entwicklung, Veränderung und Selbstreflexion. Besonders spannend wird das Buch dort, wo es in den Dialog mit dem christlichen Glauben tritt. Die Spannung zwischen göttlicher Freiheit und astrologischem Determinismus ist unbestreitbar, aber Schubert-Weller zeigt historische und moderne Beispiele, wie dieser Gegensatz produktiv ausgehalten werden kann. So war selbst Luther, der die Astrologie als unwissenschaftlich kritisierte, nicht bereit, mit seinem Freund Melanchthon zu brechen, sondern pflegte eine gewisse Gelassenheit („Domini sumus“ – wir sind des Herrn). Dieses lutherische Maß an Gelassenheit könnte – so das Buch – ein Modell für den heutigen Umgang sein: eine Haltung, die nicht sofort verteufelt, sondern prüft, was in einer modernen, symbolisch verstandenen Astrologie an sinnvollen, kompatiblen Elementen für Glauben und Gesellschaft enthalten sein könnte. Ein weiterer Pluspunkt ist die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung astrologischer Technik. Schubert-Weller zeigt, dass die Astrologie kein fertiges „Urwissen“ war, sondern sich langsam, mühsam und historisch gewachsen entwickelte – von der Mondastrologie über den acht- bis hin zum zwölffach gegliederten Tierkreis. Innovationen wie die Halbsummenlehre von Guido Bonatus oder die Weiterentwicklungen Alfred Wittes in der Hamburger Schule verdeutlichen, wie kreativ und anpassungsfähig die Astrologie war und ist. Auch die Integration neuer astronomischer Entdeckungen – von Keplers Harmonielehre bis zu Uranus, Neptun und Pluto – haben sie immer wieder in Bewegung gebracht. Insgesamt ist „Spricht Gott durch die Sterne?“ ein Buch, das Brücken bauen will. Es zeichnet ein Bild der Astrologie als ernsthafte kulturelle Praxis, die sich seit Jahrhunderten weiterentwickelt, mit Krisen und Kritik lebt, sich aber auch selbstkritisch reflektiert. Schubert-Weller ist dabei weder ein unkritischer Verteidiger noch ein reiner Skeptiker, sondern versucht, Verständnis, Differenzierung und Dialog zu fördern – sowohl gegenüber der Wissenschaft als auch gegenüber der Theologie. Fazit: Dieses Buch ist nicht nur für Astrologen und Christen interessant, sondern für alle, die sich mit der Frage beschäftigen, wie alte symbolische Weltdeutungen in einer modernen, rationalen und zugleich spirituellen Gesellschaft bestehen können. Es ist ein Plädoyer für Differenzierung und Dialog, für die Anerkennung von Geschichte und Gegenwart der Astrologie – und für einen offenen Umgang mit den Spannungen zwischen Glauben, Wissen und Deutung.